In zwei bis drei Wochen wird mein neuer ESXi-Server (Stichwort: Projekt Avalon) online gehen, und meinen bisherigen Root-Server bei Hetzner ablösen. Auf diesem laufen aktuell nur wenige Dienste, u.A. ein Web- und eMail-Server.
Letzteren, ein einfacher Postfix-Dienst mit einer Weiterleitung an meine Gmail-Adresse, möchte ich durch einen „richtigen“ Mailserver ersetzen. Bisherige Ansätze hatte ich hier bereits zur Genüge:
- OpenXchange 6: Appliance-Edition läuft instabil (Serverabstürtze), Administration umständlich und Benutzerfremd, eMail-Frontend zwar AJAX-basierend, jedoch äußerst träge
- Scalix 11: An sich ein guter Mailserver; übersichtliches Frontend und gute Verwaltung. Leider in Community-Edition auf 10 Benutzer beschränkt, etwas Funktionsarm
- Kolab: Einfache und kostenfreie Lösung, jedoch weniger für Produktiven Einsatz geeignet und teils etwas Buggy. Dazu: Unseriöses Erscheinungsbild, Webfrontend nicht Zeitgemäß.
- Exchange 2003: Nicht kostenlos, im Vergleich zu den anderen Produkten relativ großer Einrichtungs-Aufwand, nicht sonderlich erweiterbar, veraltet, …
- {de:Postfix}: Hervorragend – in dem, was er tut. Mails annehmen, ggf. bearbeiten und weiterleiten. Meine bisherige Lösung (die zwar simpel, aber meinen Anforderungen mehr entgegen kam, als die anderen Produkte)
Im folgenden Artikel möchte ich die Groupware-Lösung „Zimbra Collaboration Suite 5“ in der Community-Edition (oder OpenSource-Edition) vorstellen. In weiteren Artikeln werde ich auf die Installation und Verwaltung eingehen.
Was mir bei einer eMail-Lösung wichtig ist: Es soll nicht „nur“ eine eMail-Lösung sein. Ich möchte auch einige Groupware-Funktionalitäten besitzen, auch wenn ich Sie aufgrund des reinen Privateinsatzes niemals ausreizen kann, möchte ich auf die ein oder andere Funktion _nicht_ Verzichten. Dass die Lösung auch kostenlos sein soll, trägt dem Funktionsumfang natürlich auch nicht bei. Groupware-Lösungen wie Scalix 11 Community oder OpenXchange sind „ganz nett“, jedoch relativ stark beschnitten was die Möglichkeiten auf kostenfreier Lizenzschiene erlaubt.
Mein Augemerk fiel durch meine Arbeit auf Zimbra, da momentan alternative Mailsysteme eruiert werden. Zum Beginn ein Überblick über nennenswerte Zimbra-Funktionen:
Zusammenarbeit- und Produktivität
- AJAX Mail & Adressbuch
- Einfache und erweiterte Suche
- Vergabe von Tags
- Sharing von eMail, Kalender, etc.
- Zimlets (Minianwendungen)
- AJAX-Kalender
- Conversations für eMails (bekannt von Gmail)
- Instant Messaging unter Zimbra-Nutzern
- Aufgaben-, Notiz und Dokumentverwaltung
Administration
- Administration per Webinterface
- Integrierte Anti-Spam und -Virus-Lösung (SpamAssassin/ClamAV)
- Multidomain-Support
- POP/IMAP Zugriff
Eine komplette Gegenüberstellung der einzelnen Zimbra-Funktionen der einzelnen Produktversionen ist auf deren Website zu finden; ein Auszug findet sich auf der rechten Seite.
Nicht-enthaltene Features
Es gibt einige nennenswerte, interessante Erweiterungen die in der OpenSource-Edition nicht enthalten sind:
- Suche in Anhängen
- Rendering von Anhängen im Browser
- Clustering / High Availability
- Online Backup / Restore
- Outlook/Apple-Synchronisation
- Mobile-Support (Blackberry, iPhone)
Zwischenstand
Zimbra ist, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, eine sehr professionelle und auch funktionale Groupwarelösung – im Vergleich zu anderen Produkten wie Scalix fehlen keine wichtigen oder für die private Nutzung essentielle Funktionen.
Es können z.b. mehrere Domains verwaltet werden, und auch Funktionen zur Auslastungsauswertung fehlen nicht, was die ganze Sache äußerst attraktiv für kleine Firmen oder Privatanwender macht, die ihre Domains komfortabel verwalten wollen.
Spam- und Virenabwehr
In Zimbra sind bereits grundlegende Möglichkeiten zur Spam- und Virenabwehr ins System integriert – Spam- und Virendefinitionen updaten sich selbstständig in regelmäßigen Abständen, in der Konfiguration können ebenfalls manuell Schwellenwerte für Spamassassin eingetragen werden (Spam-Scores).
Bei den anderen, genannten Maillösungen kommt man nicht drum herum, entweder einen Spamassassin/ClamAV händisch in das System zu integrieren (was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt), oder man setzt ein primäres {de:SMTP-Relay-Server|SMTP-Relay} auf, das dem eigentlichen Mailserver vorgeschaltet ist.
Beides kostet Zeit, Ressourcen und ist Aufwändig – insbesondere bei mir als „Privatanwender“. Ich muss durch die bestehende Integration keine zusätzlichen Server verwalten oder mir Gedanken über zusätzliche Worst-Case-Szenarien machen – it work’s just out-of-the-box, and that’s pretty cool.
Benutzer-, eMail- und Ressourcenverwaltung
Benutzer lassen sich ziemlich einfach und feature-reich verwalten. Es können neben den bekannten persönlichen Angaben auch erweiterte Parameter gesetzt werden; etwa wie groß das Mail-Kontingent des Benutzers sein darf; welche zusätzlichen eMail-Adresse er besitzen soll; welche Zimbra-Dienste er nutzen darf und welche nicht; welcher Gruppe er zugehörig ist; und, was mir besonders wichtig ist: An welche internen oder externen eMail-Adressen eMails weitergeleitet werden sollen, die an die primäre Adresse des Benutzers geschickt wurden.
Das ist wichtig, wenn ich z.b. eine eMail-Adresse für einen Freund oder die Familie anlege, die ihre eMails jedoch gerne bei Googlemail oder Web.de abholen möchten (Ja, die Geschmäcker sind leider verschieden …). Scalix z.b. fehlt diese Funktion, weshalb ich auf einen einfachen Postfix umgestiegen bin.
Ebenso einfach und schnell lassen sich Alias-Namen erstellen – das macht besonders bei mir als Webmaster sinn: Alle eMails, die an den webmaster@… oder bastian@…-Account meiner Webdomänen geschickt werden, landen in meinem primären Postfach.
Ein weiteres, sinnvolles Feature ist die Vergabe von „Globalen Einstellungen“. Hier können Einstellungen getroffen werden, die standardmäßig jedem Benutzer bei der Erstellung zugewiesen werden – etwa, dass jeder Benutzer nur 50 MB Postfachspeicher erhalten soll, oder ein bestimmtes Frontend-Theme nutzen muss.
Mail-Warteschlange
Ein weiteres, äußerst schmackhaftes Goodie von Zimbra ist die Funktion „Mail-Warteschlange“. Folgendes Szenario: Ich bin Administrator in einer Firma mit 50 Mitarbeitern. Es bestehen etwa 5 eMail-Domains für unterschiedliche Produkte, die die Firma herstellt. Manche Benutzer haben mehrere eMail-Adressen, und erhalten von allen möglichen Stellen eMails. Darunter Spam, Viren, Newsletter, … pro Tag etwa 1000 Stück.
Nun bemängelt ein Benutzer, dass er seit Stunden auf eine eMail wartet, die Ihm ein Kunde geschickt hat – er hat Sie jedoch noch nicht erhalten, und der Kunde hätte Sie schon 3 x versandt.
Im Falle von Scalix oder OpenXchange (ich lasse mich gerne eines besseren belehren!) müsste ich mir einige Logfiles ansehen, um festzustellen, ob die Mail ggf. in der Queue hängt, oder aus Grund XYZ verworfen wurde. Ich muss den Namen und die eMail-Adresse des Kunden dafür einholen, muss per Putty auf alten Rechnern Logfiles mittels cat+grep durchforsten, bis ich die verworfene eMail in einem Catchall-Postfach gefunden hätte.
Zimbra bietet eine verdammte coole Option im Adminbereich – die „Mail-Warteschlange“. Diese zeigt Daten zu den aktuellen eMails an, die in Bearbeitung sind. Aber seht selbst:
Zimlets
Als besonderes Feature – zumindest habe ich vergleichbares noch nicht gesehen – ermöglicht Zimbra dem Benutzer die Nutzung von sog. „Zimlets“ – Google würde „Widgets“ dazu sagen, Windows „Gadgets“. Es sind kleine Funktionserweiterungen, die sich nahtlos in das Frontend integrieren.
Diese Zimlets können in der Zimbra Gallery heruntergeladen werden. Ich habe mir mal einige davon angesehen – ansich ganz nett, jedoch wirklich nützliches ist nichts dabei. Die für mich am sinnvollsten erscheinenden sind etwa ein Plugin um direkt aus dem Frontend heraus einen Tweet für den eigenen Twitter-Account zu schreiben, oder die aktuelle Nachricht durch den Google Translator zu jagen.
Ähnlich verhält es sich mit den Themes, die in der Zimbra Gallery für das Frontend heruntergeladen werden können: Sonderlich anspruchsvolles ist da nicht dabei…
Die andere Seite – das Frontend
Nachdem die letzten Zeilen (oder Seiten) über das Backend – die Administrationsoberfläche und deren einzelne Funktionen – handelten, möchte ich zum Schluss noch etwas auf das Frontend eingehen.
Beim Aufruf der Server-IP oder Domäne landet man direkt auf der Anmeldeseite von Zimbra:
Nachdem man seine Account-Daten eingegeben und mit dem Anmelden-Button bestätigt hat, wird man auf das eigentliche Webinterface weitergeleitet.
Dieses umfasst neben den Standard-Diensten wie eMail, Kalender und Adressbuch auch eine Aufgabenliste, und ermöglicht die Verwaltung von Dokumenten (ein Äquivalent zu Notizen) und Dateien (Online-Storage).
Ansich ist das Frontend eine sehr schöne Sache – es lässt sich durch Themes verändern (es ist sogar eine Art gMail-Klon-Theme verfügbar), ist AJAX-basierend (Drag&Drop von eMails, Erstellung von Kalendereinträgen), und lässt sich nach Herzenslust über die Einstellungen anpassen.
Ein ganz besonderer Augenschmaus: Es lassen sich in den Einstellungen weitere eMail-Konten bei anderen Anbietern hinterlegen, die automatisch abgerufen und in die Zimbra-Mailverwaltung integriert werden. Zimbra ruft dann alle eMails vom externen Server und lagert diese in den eigenen eMail-Account. Das hat den Vorteil, dass mir egal sein kann, ob der Mailserver von Gmail abschmiert – Zugriff auf meine bisherigen eMails habe ich trotzdem. Und in diesen lässt sich auch suchen…
Last but not Least: Zimbra Desktop
Zwar sind die Connectoren für Outlook, iPhone, Blackberry, etc. nicht in der OpenSoruce-Version enthalten, eine ziemlich akzeptable Lösung zum Offline-Arbeiten gibt es aber trotzdem: Zimbra Desktop.
Meiner bescheidenen Meinung nach ist das eine Art lokaler Webserver, der im Hintergrund einen eMail-Server verwaltet. Das interessante daran: Nach der Installation des rund 50 MB großen Paketes erhält man eine schlanke Oberfläche, die einem die gleiche Funktionalität wie das Webinterface bietet. Ein Goodie: Diese kann nicht nur mit einem Zimbra-Server, sondern auch mit anderen Anbietern wie Gmail oder Web.de genutzt werden!
Der Zimbra Desktop cached ebenfalls alle Daten lokal zwischen, sodass komfortabel Offline gearbeitet werden kann, wenn man mal gerade kein Wlan-Kabel zur Hand hat, oder der UMTS-Empfang schlecht ist.
Fazit
Ich mag Zimbra. Die Funktionen wirken ausgereifter und „besser“ als bei vergleichbaren Lösungen – zudem ist die Suite kostenlos, was ein großer Pluspunkt ist (in Anbetracht der vielen Features). Für mich steht fest, dass ich Zimbra im Produktiveinsatz für meine ~ 10 Domains testen werden.
Im nächsten Teil möchte ich dann die Installation und Konfiguration näher betrachten.
Nun bin ich aber auf die Installation und Konfiguration gespannt. Ich schau mir nämlich Zimbra auch gerade näher an.
Ich beschäftige mich auch gerade mit zimbra. Wäre echt cool, wenn du die Konfiguration als eMail-Server beschreibt und deine Erfahrungen veröffentlich. Bei mir läuft zimbra mit ubuntu.Außer Mails von hoster und rum spielerei habe ich noch nichts.
Hi
Vielen Dank fuer Deine Schilderungen. Insbesondere das Posting ueber den Port-Konflikt hat mir sehr geholfen!
Cheers
Schon mal Zarafa probiert? Da gibts push auf handys! http://www.zarafa.com
Für deine Zwecke wäre eigentlich die Open-Xchange Server Edition das passende gewesen.
Anders als bei der Appliance Edition und anderen Lösungen wie Zimbrakann man hier das existierende Mailbackend (IMAP, POP, SMTP, Sieve) einfach weiternutzen.
Integration statt Migration quasi 🙂
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